Wald als Multitalent: Schutz vor Naturgefahren

Wald als Multitalent: Schutz vor Naturgefahren

Lawinen, Steinschläge, Rutschungen, Murgänge und Hochwasser sind natürliche Gefahren für den Menschen und seine Infrastrukturen. Besonders gilt dies in einem Gebirgsland wie der Schweiz. Der Wald kann das Risko von Schäden durch Naturgefahren verringern. Ein Wald, der uns vor Naturgefahren schützt, nennt man «Schutzwald».
Je nach Naturgefahr beruht die Schutzwirkung der Wälder auf unterschiedlichen Mechanismen. Gegen Rutschungen ist die Verwurzelung der Bäume entscheidend. Die Wurzeln armieren einerseits den Boden. Andererseits wird durch die Durchwurzelung der Wasserhaushalt positiv beeinflusst und die Bodendurchlässigkeit erhöht. Denn oft werden Erdrutsche ausgelöst, weil der Boden kleinräumig mit Wasser übersättigt ist und dadurch deutlich an Festigkeit verliert.
Lawinenanrisse werden verhindert, indem sich im Bereich der Bäume keine labilen Schneeschichten aufbauen können. Ein Teil des Schnees wird in den Baumkronen zurückgehalten (Interzeption). Zudem wirken sich kleinräumige Wind- und Temperaturunterschiede positiv aus. Zu guter Letzt hat der Waldboden durch Baumstrünke und liegendes Totholz eine hohe Bodenrauigkeit und die Bäume selbst stabilisieren die Schneedecke.
Bei Steinschlag bremsen die Bäume herabstürzende Brocken oder bringen sie gar zum Stillstand. Für den Steinschlagschutz sind nicht allein Bäume mit grossem Durchmesser nötig. Ein gut strukturierter Wald mit unterschiedlich dicken Stämmen und einem Mosaik von verschiedenen Altersstufen schützt besser und nachhaltiger gegen Steinschlag.
Ein Wald hat wesentliche Auswirkungen auf den Wasserhaushalt. Dank des besseren Bodenaufbaus und durch die Bewurzelung hat der Waldboden eine bessere Wasserspeicherkapazität als Offenland. Ausserdem verdunstet die Waldvegetation Wasser und reguliert dank den tiefreichenden Wurzeln den Bodenwasserhaushalt in grössere Tiefen. Zudem stabilisieren Bäume die Bach- und Flussufer. Der Wald leistet einen wichtigen Beitrag, um Hochwasser in Tallagen zu vermindern. Im Zusammenhang mit Bächen und Flüssen kann der Wald aber auch Probleme verursachen. Dies, wenn Bäume und Äste im Gerinne mitgerissen werden. Ziel der Schutzwaldpflege ist es deshalb, die stabilisierenden Bäume zu erhalten und die Instabilen zu entfernen.
Die Effektivität eines Schutzwaldes hängt stark von seiner Struktur sowie seiner Entwicklungsphase ab. Sie kann sich deshalb im Laufe der Zeit ändern. Für eine dauerhafte Schutzwirkung müssen die meisten Schutzwälder mit gezielten Massnahmen gepflegt werden, um ihre Struktur zu verbessern und sie nachhaltig zu verjüngen. Auch die Anpassung der Baumartenzusammensetzung an das sich verändernde Klima ist eine wichtige Aufgabe. Art und Häufigkeit der Eingriffe richten sich nach den naturräumlichen Bedingungen, den drohenden Naturgefahren sowie dem zu schützenden Gut und sie hängen auch von der Entwicklungsgeschichte sowie dem aktuellen Zustand des jeweiligen Schutzwaldes ab. Die richtige Pflege des Schutzwaldes ist komplex. Den Fachleuten steht dazu die Vollzugshilfe «Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald» zur Verfügung.
Die Pflege des Schutzwaldes ist aufgrund der schwierigen Topografie und der oft ungenügenden Erschliessung aufwändig und nicht kostendeckend. Bund und Kantone gewähren deshalb Beiträge. Müsste die Schutzwirkung durch technische Massnahmen ersetzt werden, wären die Kosten um ein Vielfaches höher. Der Wald erbringt bei einer fachgerechten Pflege eine vergleichbare Schutzwirkung rund zehnmal günstiger. Der volkswirtschaftliche Wert des Schweizer Schutzwaldes wird auf jährlich 4 Milliarden Franken geschätzt.


Quellen / weiterführende Infos
Schutzwald Schweiz
Waldbericht 2025
Schutzwald | Wald Schweiz
Biologische Schutzmassnahmen – Schutzwald leistet mehr, als man denkt - waldwissen.net
Bild:
Schutzwald im Goms VS, Raphael Schwitter